Mercedes-Benz 300 SL Rennsportwagen der Baureihe W 194 (1952 bis 1953)
Die Wurzeln der SL-Klasse liegen im Rennsport: Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelt Mercedes-Benz den Rennsportwagen 300 SL der Baureihe W 194. Sein Motor M 194 ist vom Aggregat des Typ 300 abgeleitet, für den Einsatz im Rennsportwagen steigern die Ingenieure die Leistung auf rund 170 PS (125 kW). Der Sportmotor wird im Winkel von 50 Grad nach links liegend eingebaut. Rudolf Uhlenhaut, zu diesem Zeitpunkt Leiter des Pkw-Versuchs bei Daimler-Benz, entwickelt für den W 194 einen lediglich 50 Kilogramm schweren Rahmen aus sehr dünnen Rohren, die nur auf Druck und Zug beansprucht werden. Dieser Rahmen wird zum Rückgrat des Rennsportwagens, mit dem die Piloten der Rennabteilung im Jahr 1952 zahlreiche Erfolge erringen.
Die Karosserie dieses ersten SL nimmt bereits Kennzeichen der späteren Serien-Sportwagen vorweg. Dazu gehört das flache Rennwagengesicht aus der Vorkriegszeit mit einem auf dem Gitter der Kühlluftöffnung angebrachten Mercedes-Stern. Charakteristisch für das Coupé sind die berühmten Flügeltüren: Sie sind tief in das Dach eingeschnitten, öffnen nach oben und erinnern dabei an ausgebreitete Flügel, weshalb der Wagen von den Amerikanern „Gull Wing“ (Möwenflügel) und von den Franzosen „Papillon“ (Schmetterling) getauft wird. Neben den Coupés entstehen auch mehrere Roadster.
1952 erringt Mercedes-Benz mit dem 300 SL die Plätze zwei und vier bei der Mille Miglia, holt einen Dreifachsieg beim Sportwagenrennen in Bern und einen Doppelsieg bei den 24 Stunden von Le Mans sowie einen Vierfachsieg beim Sportwagenrennen auf dem Nürburgring. Das letzte große Abenteuer der Saison ist die Teilnahme an der 3. Carrera Panamericana Mexiko, einem Rennen über 3.100 Kilometer durch Mexiko, in fünf Tagen und acht Etappen. Mercedes-Benz setzt zwei Coupés und zwei Roadster ein, die Motorleistung ist mittlerweile auf 180 PS (132 kW) gestiegen. Die Wagen von Karl Kling und Hans Klenk sowie Hermann Lang und Erwin Grupp fahren im November 1952 einen legendären Doppelsieg für Mercedes-Benz ins Ziel.
Für das folgende Jahr wird bereits ein Nachfolgemodell entwickelt, der W 194/11. Doch er kommt in der Saison 1953 nicht mehr zum Renneinsatz. Denn vom Jahr 1954 an startet Mercedes-Benz in der Formel 1, und aus dem 300 SL wird der Seriensportwagen W 198 I entwickelt.
Mercedes-Benz 300 SL Coupé der Baureihe W 198 I (1954 bis 1957)
Was für eine Premiere: Am 6. Februar 1954 präsentiert Mercedes-Benz auf der International Motor Sports Show in New York den 300 SL Seriensportwagen. Das Coupé mit den charakteristischen Flügeltüren des Rennsportwagens begeistert Experten und Publikum. Nicht nur die Form erinnert an den Rennsport, auch technische Details wie der Gitterrohrrahmen stammen aus dem Wettbewerbsfahrzeug. Das macht den 300 SL der Baureihe W 198 I einzigartig unter den Seriensportwagen der Epoche.
Der Serien-SL wird vom Motor M 198 mit Benzin-Direkteinspritzungangetrieben, den Mercedes-Benz für den Rennsport-Prototyp W 194/11 des Jahres 1953 entwickelt hat. Im 300 SL leistet der Reihensechszylindermotor nominal 215 PS (158 kW). Damit erreicht das Fahrzeug eine Höchstgeschwindigkeitvon 247,5 km/h, wie 1954 eine offizielle Versuchsfahrt ergibt. Für einen komfortablen Straßensportwagen jener Zeit ist das ein vorzüglicher Wert. Das prädestiniert den 300 SL für den Einsatz bei Rennen und Rallyes, wo Werksfahrer und private Piloten zahlreiche Siege und exzellente Platzierungen mit dem Sportwagen erzielen.
Für den Bau des Seriensportwagens tritt besonders stark Maximilian E. Hoffman ein, der offizielle Importeur der Marke Mercedes-Benz für den US-Markt. Gleichzeitig bringt er die Idee für einen kleineren SL-Roadster auf, den späteren Typ 190 SL.
Der 300 SL wird schnell zu einer automobilen Ikone der 1950er-Jahre, der gleichzeitig große Rennsiege einfährt. Und die Strahlkraft des Traumwagens ist bis heute ungebrochen: 1999 wird das Flügeltüren-Coupé in einer internationalen Wahl zum „Sportwagen des Jahrhunderts“ gewählt.
Mercedes-Benz 300 SL Roadster der Baureihe W 198 II (1957 bis 1963)
1957 löst der 300 SL Roadster das Flügeltüren-Coupé ab. Wie sein Vorgänger ist auch dieses Fahrzeug auf die Initiative von Maximilian E. Hoffman entstanden. Technisch entspricht der Roadster weitgehend dem Coupé, durch Modifikation der Seitenteile des Gitterrohrrahmens kann die Einstiegshöhe so weit reduziert werden, dass sich normale Türen einbauen lassen.
Grundlegend verbessert ist die Hinterrad-Aufhängung: Die bereits vom Typ 220 a bekannte Eingelenk-Pendelachse mit tief gelegtem Drehpunkt ist in angepasster Form nun auch beim 300 SL Roadster eingebaut und wird erstmals mit einer Ausgleichsfeder versehen. Gegenüber der ursprünglichen Pendelachse des Flügeltüren-Coupés ergibt das deutlich verbesserte Fahreigenschaften. Ab Oktober 1958 gibt es als Sonderausstattung ein abnehmbares Coupédach mit weit herumgezogenem Heckfenster.
Eine Sonderausführung des 300 SL Roadster ist der für die Teilnahme an der amerikanischen Sportwagenmeisterschaft in zwei Exemplaren gebaute 300 SLS, mit dem Paul O’Shea die amerikanische Sportwagenmeisterschaft 1957 in der Kategorie D mit deutlichem Vorsprung vor der Konkurrenz gewinnt. Die Produktion des 300 SL läuft zeitgleich mit dem Bau des 190 SL am 8. Februar 1963 in Sindelfingen aus. Beide Versionen des 300 SL, Roadster und Flügeltüren-Coupé, sind von Anfang an ausgesprochene Liebhaberfahrzeuge und gehören heute zu den gesuchtesten und bestnotierten Klassikern.
Quelle: Daimler Media